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Zusammengestellt von Amin Farzanefar
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Die Filmreihe wird gefördert durch Fairplanet.

FILMEN UNTER EINFLUSS

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HAPPY REVOLUTION - views on iran. 30 years later.
Eröffnung der Filmreihe am 11.12.2009, 20 Uhr
Mit: Cyanosis (R: Rokhsareh Ghaemmaghami
Sounds of Silence (
R: Amir Hamz & Mark Lazarz)

Weitere Filmvorführungen 16. - 19.12.2009

Iranisches Kino entsteht im Spannungsfeld mehrfacher Einflussnahmen: Im Inneren von der Zensur gegängelt, werden FilmemacherInnen nach außen hin als kulturelle Aushängeschilder vereinnahmt. Die Filmreihe will ein Stimmungsbild nach dreißig Jahren Islamischer Republik einfangen. Besonders deutliche Konturen vermitteln sich in der Außensicht des Heimkehrers oder Fremden sowie über den Blick auf marginalisierte Figuren wie KünstlerInnen und MusikerInnen. Der Dokumentarfilm stößt dabei auf eine von Ausblendungen und gesteuerter Erinnerung geprägte Geschichtsschreibung. Der Spielfilm schafft es im Einzelfall, solche im heimischen Bilderfundus verdrängten und im Ausland unbekannten Realitäten zu re-inszenieren.

FILMEN UNTER EINFLUSS

CYANOSIS/SIANOZE 
R: Rokhsareh Ghaemmaghami
Kurzdokumentarfilm, Iran 2007, 30’


Jamshid Aminfar ist einer der wenigen Teheraner Straßenmaler und muss sich gegenüber Verkehrspolizisten und ignoranten Passanten behaupten. Als er von einer Galerie zu einer Ausstellung eingeladen wird, ist das „Meinungskollektiv“ verwirrt. Im Blick auf einen Außenseiter spiegelt sich auch das Kunst-Verständnis in einer hierarchischen Gesellschaft, die ständig zwischen „offizieller“ und „inoffizieller“ Kultur unterscheidet. 
Der Einsatz von Animationssequenzen in diesem Dokumentarfilm soll dabei eine Einfühlung in die Bildwelten von Aminfar ermöglichen, der  an einer schweren Behinderung zu leiden scheint – oder ist er drogenabhängig?

SOUND OF SILENCE
R: Amir Hamz & Mark Lazarz
UK/D/Iran 2006, 86'
Mit: O-Hum, Soroush,  Atma, Barobax



Zwischen persischer Klassik und importierter Popmusik existiert im Iran das verborgene Reich der Underground-Musik. Trotz der staatlichen Ablehnung westlich beeinflusster Kulturprodukte hat sich eine äußerst kreative Szene gebildet, die wegen der rigiden Zensur des Ershad-Ministeriums kaum einer größeren Öffentlichkeit im westlichen Ausland bekannt ist: Konzertauftritte können nur sporadisch mit Ausnahmegenehmigungen stattfinden, jede CD-Produktion muss  genehmigt werden. Hauptort virtueller Konzerte ist daher das Internet.
Der Brite Marc Lazarz und der Deutschiraner Amir Hamz haben Proberäume und Redaktionen besucht und geben einen Einblick in die Vielfalt der Szene: Neben Musikern wie dem klassisch ausgebildeten Virtuosen Mohsen Namjoo, die das klassische Erbe mit moernen Einflüssen mixen, oder der alternativen Rockband O-Hum, stehen Großstadt-Rapper wie Sorush. Die schwierigen Produktionsbedingungen führen zu einer kurzen Haltbarkeitsdauer der Gruppen: viele sind ins Ausland gegangen (Namjoo), andere haben sich aufgelöst, um in anderen Formationen neuen Elan zu schöpfen. 

Im Anschluss an den Film Podiumsdiskussion mit

Amir Hamz, Regisseur Sound of Silcence
Babak Akhoondi, Protagonist Sound of Silcence
Ekkehard Knörer, Cargo Magazin
Amin Farzanefar, Kurator
Kaya Behkalam, Künstler
Hesam Ayat, Label Gründer Zabtesot
Prof. Dr. Hajo Funke, Otto-Suhr-Institut für Politikwissenschaft

Moderation: Oliver Kontny

Weiteres Programm:

16.12.2009, 21.30 Uhr
DIE VERBORGENE HÄLFTE - NIMEH-YE PENHAN
Regie: Tahmineh Milani
D: Niki Karimi, Mohammad Nikbin, Atila Pesiani
Iran 2001, 103’

Khosro, ein Teheraner Richter fährt nach Shiraz, um eine zum Tode verurteilte „politische“ Gefangene anzuhören. Unterwegs, im Hotel, liest er einen Brief seiner Frau Fereshteh, der ihm eine bisher unbekannte Facette ihres Lebens offenbart: im Umfeld der Revolution von 1978 war sie als kommunistische Aktivistin tätig, ihre Liebe galt Ruzbeh, einem älteren linken Publizisten. Spät erst erfährt sie, dass Ruzbeh verheiratet ist, noch später, dass Ruzbehs große Liebe während des Mossadegh-Umsturzes 1953 um Leben kam. The Hidden Half ist so eine doppelte Rückblende in jene Jahre des Umbruchs, die von der iranischen Linken  - und von Frauen - mitgestaltet wurden; beides Gruppen, die aus der offiziellen Geschichtsschreibung ausgeblendet werden. Der Film wurde im Iran nach kurzer Zeit aus dem Programm genommen und die Regisseurin Tahmineh Milani inhaftiert. Infolge internationaler Proteste und des Einschreitens des damaligen Präsidenten Khatami kam sie wieder frei.

17.12.2009, 21.30 Uhr
SANTOORI / THE MUSICMAN

Regie: Dariush Mehrjui
Iran 2007, 108’
D: Golshifteh Farahani, Bahram Radan



Ali ist ein begnadeter Musiker. Doch sein Lebensstil, seine Texte und sein unorthodoxer Umgang mit dem ehrwürdigen Instrument Santoor bringen ihn in ständige Auseinandersetzung mit den Zensurbehörden – er darf weder CDs produzieren noch öffentliche Konzerte geben. Der aufreibende Kampf um künstlerischen Ausdruck, aber auch der Starkult um seine Person treiben ihn in die Drogenabhängigkeit, aus der ihn auch seine Frau nicht mehr retten kann. Ali strandet als Namenloser im Großstadtdschungel.
Dariush Mehrjui, einer der Gründerväter der iranischen Film-Avantgarde der 1970er, die auch maßgeblich das post-revolutionären Kino prägte, erzählt die Geschichte vom Musicman mit wunderbar epischem Atem, und verbindet dabei wilde Hippie-Romantik mit realistischer Erdung: Drogenabhängigkeit,  Eskapismus, Zensur sind rare Themen im iranischen Kino.
In einem Regime, das keine Gegenkultur zulässt, wurde Santuri unter der Hand zum Kultfilm: Ein Held, der sein traditionelles Instrument benutzt, um Rock, Pop und Techno zu spielen, bedarf keiner weiteren Erklärung. Als Ikone erinnert Ali ebenso an die scheiternden Heroen der altiranischen Mythen wie an Jim Morrison in Oliver Stones The Doors.

18.12.2009, 21.30 Uhr
TEHRAN WITHOUT PERMISSION/TEHRAN BEDOUNE MOJAVEZ
Regie: Sepideh Farsi
F 2009, 83’


Noch bevor die Zensur privat gefilmte Handy-Clips zur journalistischen Hauptquelle der Wahl-Unruhen machte, nutzte Sepideh Farsi ihr Nokia zu einer hautnahen Bestandsaufnahme. Dass die finnische Firma zusammen mit Siemens der iranischen Regierung während der Demonstrationen ein Telekommunikations-Überwachungssystem sowie Internetfilter einrichtete, ist nur eine von zahlreichen Ironien. Im unmittelbaren Vorfeld der Wahlen sind für die in Frankreich lebende Filmemacherin die gesellschaftlichen Widersprüche allerorten greifbar: strenge Zensur hier und florierender Schwarzmarkt dort, Heimlichtuerei an öffentlichen Orten und laute Kritik im Sammeltaxi. Im Flanieren legt Farsi das Wesentliche bloß - Teheran erscheint gleichermaßen als ein Ort der Mobilität und Überraschungen wie des kalkulierten Stillstandes.

19.12.2009, 17 Uhr
LETTERS TO THE PRESIDENT
Regie: Petr Lom
Can 2008, 74’



Vor allem seine unendliche Geduld beim Warten auf Drehgenehmigungen ermöglichte es dem Kanadier Petr Lom, den Film fertig zu stellen.
Sein unmittelbares Thema sind jene  Bittstellerbriefe, in denen man beim Präsidenten Mikrokredite beantragt, eine ungerechte Behandlung durch Behörden beklagt oder anderweitig um Unterstützung bittet. Diese Briefe werden in einer eigenen Behörde gesammelt und ausgewertet, die man mit Fug und Recht als „kafkaesk“ bezeichnen kann.
Im Zentrum von Loms Film stehen jedoch jene Leute, die von westlichen Beobachtern oft zu den Unterstützern Ahmadinedjats gerechnet werden, und die doch kaum Eingang finden in das Gros der Dokumentarfilme und Reportagen zum Thema: die Armen, die einfachen Arbeiter, die Landbevölkerung. Wenn Lom den populistischen Präsidenten bei der Reise in sein Heimatdorf, zu Wahlveranstaltungen begleitet, zeigt sich bald, wie komplex iranische Realitäten sind. Tatsächlich loben alle den starken Mann, auf den zweiten Blick schimmert jedoch massive Unzufriedenheit mit seiner Wirtschaftspolitik durch.
Es liegt eine grimmige Komik darin, wie der Zuschauer Zeuge von unterschiedlichen, wenig subtilen Versuchen wird, das Filmen massiv zu manipulieren und die Perspektive des Filmemachers zu lenken.

19.12.2009, 21.30 Uhr
BASSIDJI
Regie: Mehran Tamadon
Fr/Ir/Ch - 2009 – 114’

Der aktuelle Film von Mehran Tamadon spürt den Bassidji nach, jenen Paramilitärs, die durch Agitation, Spitzeltätigkeit und Gewaltanwendung in der Bevölkerung für die Einhaltung der iranisch-islamischen Werteordnung sorgen.
Tamadons filmische Reise durch die Seele des Systems beginnt auf den Schlachtfeldern des Iran-Irak-Krieges, wo die Bassidji in den 1980ern als Himmelfahrtskommandos rekrutiert wurden. In Gesprächen mit Veteranen und jungen Eiferern zeigt Tamdon, wie durch diesen Krieg der schiitische Gründungsmythos vom „heiligen Martyrium“ reaktiviert, als romantisches Ideal mit der Islamischen Revolution verschaltet und bald unauflösbar mit dem Machtapparat verschmolzen wurde. 
Dann, in der Großstadt sucht Tamadon nach urbanen Gegenbildern, begleitet einfache  Milizionäre zu Kundgebungen, Trauerzeremonien, Patrouillenfahrten, und findet auch den Alltag der Bassidjis durchsetzt mit den Verlockungen der »Moderne« – in Form von DVDs und CDs. Wahrhaft in die Höhle des Löwen wagt sich der Filmemacher, wenn er hochrangigen Vertretern begegnet, ihrer Schlagfertigkeit und brillanten Rhetorik setzt er die scheinbar naive Perspektive des Exiliraners entgegen. Dem »Narr« gelingen so Blicke hinter fundamentalistische Fassaden.

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